Resümee

130.000 Ehrenamtliche sind wertvoller Schatz

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Volkskirchen legen erstmals statistische Erhebung zu außerschulischen Angeboten vor.
In Baden-Württemberg nehmen 439.662 junge Menschen an 30.239 regelmäßigen außerschulischen Gruppenangeboten der evangelischen und katholischen Jugendarbeit teil. Dies teilten das Evangelische Jugendwerk in Württemberg (EJW), stellvertretend für die Jugendverbände der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in Württemberg (aejw), die Evangelische Jugend Baden (ejuba) und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Baden-Württemberg am 24.07.2014 im Rahmen einer Pressekonferenz in Stuttgart mit. Zum ersten Mal fand zeitgleich eine statistische Erhebung in der katholischen und evagelischen Jugendarbeit statt. Gottfried Heinzmann, der Projektleiter auf evangelischer Seite, erwartet, dass die kirchliche Jugendarbeit durch diese statistischen Erhebungen in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen wird. „Insgesamt engagieren sich 60.000 in der katholischen Jugendarbeit und 70.000 in der evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. 130.000 Ehrenamtliche sind ein wertvoller Schatz für die Jugendarbeit, für die Kirchen und für die Zivilgesellschaft. Jugendarbeit, Kirche und Staat müssen dafür sorgen, dass das erhalten und ausgebaut wird.“ Zu den oftmals wöchentlich stattfindenden Angeboten gehören beispielsweise Jungschar- und Jugendgruppen, Pfadfindergruppen, Mitarbeiterkreise, Leiterrunden und Gremien, aber auch Kinder,- Jugend- und Posaunenchöre, sowie Konfirmanden- oder Ministrantengruppen. Zusätzlich zu den regelmäßigen Angeboten können die Verantwortlichen in der kirchlichen Jugendarbeit nach der aktuellen statistischen Erhebung 769.632 Teilnahmen an 21.725 Einzelangeboten verzeichnen. Die Angebotsstruktur dieser Einzelangebote ist vielseitig. Sie geht von Freizeiten, Schulungen für Gruppenleitungen, Jugendgottesdiensten und Stadtranderholung über Sportveranstaltungen, Kinderbibeltagen bis zur besonderen Aktionen wie der „ChurchNight“. „Fast ein Fünftel der evangelischen Kinder und Jugendlichen besuchen regelmäßig ein Gruppenangebot der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit. Gute Bildung braucht mehr als Schule. In der Jugendarbeit lernen Jugendliche Verantwortung zu übernehmen und sich zu engagieren“ sagte Professor Dr. Friedrich Schweitzer von der Universität Tübingen, der die evangelische Untersuchung wissenschaftlich begleitet hat. Aufgrund der demografischen Veränderungsprozesse werde man aber zukünftig stärker über die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen wie Jungscharen, Kindergottesdienst und Kinderchören nachdenken müssen. Manuel Schätzle, BDKJ-Diözesanleiter in der Erzdiözese Freiburg, stellte einen leichten Rückgang bei den Gruppenteilnehmenden fest. Dies wird in ähnlicher Weise auch auf evangelischer Seite sichtbar. Die Verantwortlichen führen diesen Rückgang auf sich verändernde Rahmenbedingungen zurück, beispielsweise die Schulentwicklung und den demografischen Wandel. Die Jugendarbeit passe sich jedoch den Bedürfnissen junger Menschen an. So sei in den letzten Jahren die schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit enorm gewachsen. „Wir sind vorbereitet für die Mitwirkung in der Ganztagsbildung“ sagten die Verantwortlichen der kirchlichen Jugendarbeit unisono.

Über 6 Prozent aller Konfirmanden lassen sich taufen
In Baden-Württemberg gibt es immer weniger Kinder. Hinzu kommt, dass der Anteil der Evangelischen an der Gesamtbevölkerung prozentual geringer wird – nicht zuletzt ein Effekt des steigenden Anteils von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Insofern ist in den nächsten Jahren mit einer spürbaren Abnahme der Anzahl von evangelischen Jugendlichen zu rechnen. „Um auch in kleiner werdenden Jahrgängen gute Gruppengrößen zu erreichen, wird die Zusammenarbeit immer wichtiger: Beispielsweise zwischen Jungschar und Kindergottesdienst, aber insbesondere auch zwischen benachbarten Kirchengemeinden“ sagt Oberkirchenrat Werner Baur von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Dem demografischen Rückgang sei auch etwas entgegen zu setzen. „6 bis 7 Prozent aller Konfirmanden lassen sich erst während ihrer Konfirmandenzeit taufen. Gerade für diese Altersgruppe wollen wir in Zusammenarbeit mit der Jugendarbeit die Kirche positiv erfahrbar machen“.

Hohe Beteiligung von Ehrenamtlichen in der evangelischen Jugendarbeit
Insgesamt engagieren sich in Baden-Württemberg über 70.000 überwiegend Ehrenamtliche im Rahmen der evangelischen Kirchen für Kinder und Jugendliche. Der Anteil an Hauptamtlichen liegt bei höchstens 5 Prozent. Anschaulich werden die Zahlen, wenn man sie auf die evangelischen Kirchenbezirke umrechnet. Durchschnittlich sind 654 Personen pro Kirchenbezirk in Baden und
1.120 Personen pro Kirchenbezirk in Württemberg in der Jugendarbeit engagiert. Pro Kirchengemeinde wären das im Durchschnitt 25 Mitarbeiter in Baden und 40 Mitarbeiter in Württemberg. „Wenn man die Gesamtzahl der Mitarbeiter mit der Zahl von 96.528 Lehrkräften, die im Bezugszeitraum an allen öffentlich allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg beschäftigt waren, vergleicht, wird das hohe ehrenamtliche Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit noch deutlicher“, sagte Dr. Wolfgang Ilg vor Pressevertretern. Im Auftrag der Uni Tübingen waren er und der Diplom-Psychologe Peter Lehmann für die Auswertung der Datenerhebung verantwortlich.

Überraschende Werte bei der Reichweite
Die Reichweite der evangelischen Jugendarbeit brachte einige überraschende Ergebnisse. Über 18 Prozent der evangelischen Kinder und Jugendlichen nehmen regelmäßig an einem Gruppenangebot der Kinder- und Jugendarbeit teil. Bei den 6- bis 12-Jährigen sind das sogar mehr als ein Viertel. Mit zunehmendem Alter gelingt die Bindung an regelmäßige Angebote jedoch immer weniger. So sind es bei den 17- bis 20-Jährigen nur noch rund 8 Prozent.

Veränderungen müssen gestaltet werden
Was es bedeutet, wenn sich die Evangelische Kirche auf neue Rahmenbedingungen einlässt, zeigen zwei Beispiele. In der Konfirmandenarbeit wurde vor einigen Jahren das Modell „Konfi 3 – Kinder entdecken Kirche“ mit einer ersten Phase des Konfirmandenunterricht im 3. Schuljahr eingeführt. Inzwischen bieten bereits 15 Prozent der Gemeinden dieses Modell an, Tendenz steigend. Die deutlichsten Veränderungen zeigen sich bei der schulbezogenen Jugendarbeit. Gab es vor fünf Jahren nur vereinzelt Angebote, so erreichen schulbezogene Angebote der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit mittlerweile fast 48.000 Schüler in Baden-Württemberg. Mit jeder vierten Schule gibt es zwischenzeitlich eine Kooperation. Im Vergleich mit den Zahlen von 2006 stellt Gottfried Heinzmann, der Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg, einen Rückgang bei den regelmäßigen Gruppenangeboten als auch bei den Teilnehmerzahlen der Einzelangebote fest. Im Bereich der schulbezogenen Kinder- und Jugendarbeit haben sich die Zahlen dagegen mehr als verdoppelt. „Ich freue mich, dass die schulbezogenen Angebote zugenommen haben. Dadurch können auch Kinder und Jugendliche teilnehmen, die sonst keine Möglichkeit dazu gehabt hätten. Wir brauchen aber eine Kooperation auf Augenhöhe, die an vielen Stellen noch nicht gegeben ist“ so Heinzmann. Frühzeitig habe man sich auf die Veränderungen eingestellt, die am 16. Juli 2014 im Landtag beschlossene Ganztagsschulentwicklung in Baden-Württemberg beginnt. „Wir brauchen eine Ganztagsbildung unter Einbeziehung aller Bildungspartner“ forderte das EJW bereits 2012. Die Kirchen arbeiteten in den letzten Jahren eng mit dem Kultusministerium zusammen und unterzeichneten Anfang Juni 2014 die Rahmenvereinbarung zur „Kooperationsoffensive Ganztagsschule“. Gleichzeitig baue man die Aktivitäten in der schulbezogenen Arbeit deutlich aus. „Unser Projekt ‚In Bewegung‘ hat in den letzten Jahren etliche Schulkooperationen begleitet“ berichtet Oberkirchenrat Prof. Dr. Christoph Schneider-Harpprecht von der Evangelischen Landeskirche in Baden.

Gruppenerlebnis als Kern der evangelischen Jugendarbeit
Bei aller Vielfalt der Angebote geht es fast immer um Gruppen, in denen Kinder und Jugendliche zusammenkommen. Dies ist nicht nur für die regelmäßigen Gruppenangebote, sondern auch für die meisten Einzelangebote wie Freizeiten, Seminare oder Sportturniere der Fall. Jährlich nehmen beispielweise 73.000 junge Menschen an Freizeiten der evangelischen Jugendarbeit teil. „In der Jugendarbeit ist intensive Gemeinschaft erlebbar. Das Gruppenerlebnis bildet nach wie vor den Kern evangelischer Jugendarbeit“, so Mike Cares, Referent für Jugendpolitik im Amt für Evangelische Kinder- und Jugendarbeit der Evangelischen Landeskirche in Baden. „Wir spüren aber auch, dass Mitarbeiter unter verstärktem Zeitdruck stehen. In Zeiten von G8 und Studiengängen mit Prüfungen auch in den Semesterferien werden die Zeitfenster für ehrenamtliches Engagement knapper.“

Mitarbeiterschulungen sorgen für Qualität
In fast allen Erhebungsbereichen hat sich das Zahlenverhältnis von Mitarbeitern und Teilnehmern positiv entwickelt. Im Durchschnitt hat beispielweise eine Jungschar- oder Kindergruppe 13,6 Teilnehmende und 3,9 Mitarbeiter. „Diese intensive Betreuungssituation macht etwas vom besonderen Wert der kirchlichen Angebote deutlich“, berichtet Oberkirchenrat Werner Baur von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 3 oder 1 zu 4, wie er in Kindergottesdienst oder Jugendarbeit üblich sei, biete ein wichtiges personales Angebot. „In den Menschen liegt der besondere Reichtum unserer Angebote. Daher bin ich auch froh, dass wir zehntausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedes Jahr in Mitarbeiterschulungen aus- und fortbilden können“, so Werner Baur. Er verweist auf Standards beispielsweise zur Prävention von sexuellem Missbrauch oder einen kürzlich vom EJW verabschiedeten „Qualitätsleitfaden für Freizeiten“. „Die eigentliche Qualität evangelischer Jugendarbeit steht und fällt mit der Haltung unserer Mitarbeitenden“. Schneider-Harpprecht ergänzte, dass beim Kindergottesdienst in manchen Gemeinden die sonntägliche Teilnehmerzahl im Durchschnitt höher sei als in Gottesdiensten für Erwachsene. „Der Kindergottesdienst hat nach wie vor einen hohen Stellenwert.“

Landesweit 67 musikalische Veranstaltungen jeden Tag
Über 2.800 Gruppen werden im musikalischen Bereich angeboten, über 6.000 Mitarbeitende erreichen dort annähernd 60.000 Teilnehmende. Mehr als ein Drittel dieser Gruppen sind Kinder- und Jugendchöre, über 800 sind Posaunenchöre, daneben gibt es Singteams, Gottesdienst-Bands und eine Fülle weiterer Angebote. Beeindruckend auch die Zahl von fast 25.000 Aktivitäten, bei denen sich all diese Gruppen engagieren: Neben der Musik in Gottesdiensten und bei kirchlichen Veranstaltungen gehören dazu auch Geburtstags-Ständchen von Posaunenchören, diakonische Einsätze in Krankenhäusern oder die Mitwirkung bei Straßenfesten. „Durchschnittlich finden in Baden-Württemberg jeden Tag 67 solcher musikalischer Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen statt“, rechnete Peter Lehmann vom Team der Universität Tübingen bei der heutigen Präsentationstagung vor Verantwortlichen in der Jugendarbeit vor.

Presse-Information (kurz – pdf-Datei)
Presse-Information (lang – pdf-Datei)

25.07.2014 – Autor: Eberhard Fuhr, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising im ejw / Dr. Wolfgang Ilg, Universität Tübingen